Was versteht man eigentlich unter Selbstwirksamkeit bzw., was bedeutet selbstwirksames Handeln?
Kinder, die selbstwirksam sind haben genug Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein, um Anforderungen zu bewältigen, auch wenn diese schwierig sind. Sie sind in der Lage sich und ihr handeln zu reflektieren. Somit können die Kinder Situationen für sich einschätzen und dementsprechend ihr handeln ausrichten. Es entsteht aus Selbstwirksamkeit die Selbstsicherheit Einfluss auf ihr Umfeld zu nehmen und mitzubestimmen, was um sie herum passiert.
Selbstwirksamkeit ist daher die Kompetenz das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten.
Wer nicht selbstwirksam ist, der fühlt sich ausgeliefert und hilflos. Es fehlt das Wissen und die Fähigkeit Situationen aus eigener Kraft beeinflussen zu können.
Wer also selbstwirksam durch das Leben geht, führt in der Regel ein zufriedenes Leben.
Wir Erzieherinnen in der Krippe unterstützen die Kinder in vielen uns möglichen Bereichen in ihrer Selbstwirksamkeit.
Doch welche Bereiche sind dies?
Der Alltag in der Krippe ist sinnvoll strukturiert und schafft uns sehr viele Möglichkeiten Kinder in ihrer Selbstwirksamkeit zu fördern.
Die Kinder entscheiden selbst, ob sie über das Törchen in die Arme der Erzieherinnen “fliegen“ oder ob sie selbst durchs Törchen laufen möchten. Wenn sie dann im Gruppenraum angekommen sind haben sie die Möglichkeit gleich zu spielen, allein oder mit anderen Kindern oder sie entscheiden, ob sie noch mit einer der Erzieherinnen kuscheln möchten. Wir unterstützen die Kinder hier gegebenenfalls bei der Entscheidungsfindung. Wir motivieren sie das zu tun, was sie für sich in diesem Moment brauchen. Hierbei ist es wichtig den Kindern nichts vorwegzunehmen oder gar für sie Entscheidungen zu treffen. Sie sollen selbst erspüren, was ihnen guttut und welche Konsequenzen dies hat.
Der Weg zum Frühstücksraum führt über eine Rampe. Je nachdem ob die Kinder schon laufen oder noch krabbeln erklimmen sie die Rampe. Manche krabbelnde Kinder möchten von uns getragen werden. Wir sind sensibel genug zu spüren, ob dieses aus Unsicherheit oder dem Wunsch nach Nähe und Geborgenheit erfolgt oder ob sie einfach keine Lust haben sich gerade fortzubewegen. In dem zweiten Fall motivieren wir die Kinder selbstständig den Weg zum Frühstücksraum zu bewältigen. Wenn sie diesen geschafft haben sind sie sehr stolz auf sich. Die Kinder erfahren aus eigener Kraft heraus Dinge zu bewältigen. Dieses stärkt sie für neue Herausforderungen.
Die Kinder nehmen selbstständig ihre eigene Flasche aus dem Regal und lernen dadurch, wenn ich etwas trinken möchte, dann brauche ich meine Flasche und muss sie mir holen. Auch suchen sich die Kinder selbst einen Platz aus, auf dem sie sitzen möchten. Manchmal kommt es vor, das der Platz neben der Lieblingsfreundin schon besetzt ist. Auch hier lernen die Kinder durch Erfahrung. Wenn ich schneller gewesen wäre, dann wäre der Platz noch frei oder ich suche mir einen anderen Platz und lerne, dass dies auch nicht so schlimm ist. Wenn ich sehr frustriert und traurig bin, dann kann ich mir von den Erzieherinnen Hilfe holen und mich trösten lassen. Sie fragen mich, was mir nun guttun würde. Ich entscheide selbst, wie die Situation für mich ausgeht. Ich bin meinen Gefühlen nicht ausgeliefert.
Nach dem Frühstück räumen die Kinder ihren Platz selbstständig wieder ab, sie räumen ihre Brotdosen ein und bringen diese und ihre Flasche zurück zu den vorgegebenen Plätzen. Tun sie dies nicht, so lernen sie, das nun auch das ersehnte Spiel warten muss bis der Platz aufgeräumt ist.
Jede Handlung hat Konsequenzen. Selbstwirksam entscheiden sich die Kinder, welche Konsequenzen ihr individuelles Handeln zur Folge hat. Sie lernen somit Situationen einschätzen zu können.
Im Morgenkreis singen und tanzen wir. Beim tanzen fragen wir Erzieherinnen die Kinder, ob sie überhaupt tanzen möchten. Hier lernen die Kinder wieder in sich hineinzuhorchen und sich zu entscheiden, was sie möchten. Habe ich Spaß mit den anderen Kindern zu tanzen oder möchte ich lieber nur zusehen. Reicht mir das beobachten nicht, so kann ich mich das nächste Mal dafür entscheiden mitzumachen. Oder fühlte ich mich sehr wohl als Beobachter, dann werde ich nächstes Mal wieder Beobachter sein. Räume ich mein Morgenkreiskissen schnell weg, dann kann ich auch schnell wieder spielen. Ich bin der Herr über mein Handeln und weiß, was mich dabei erwartet.
Nach dem Morgenkreis gehen wir ins Freispiel oder die Kinder nehmen an Angeboten teil.
Im Freispiel entscheiden die Kinder, was sie spielen möchten und mit wem. Dabei kann es passieren, dass derjenige mit dem ich spielen möchte nicht mit mir spielen will. Nun liegt es an mir, mir entweder jemanden anderen zu suchen oder traurig zu sein. Wir helfen den Kindern, wenn wir merken, dass sie nicht weiter kommen. Wir zeigen ihnen ihre Möglichkeiten auf.
Es kann auch passieren, dass die Kinder sich nicht einig darüber sind, was sie spielen möchten. Hier entscheidet der Einzelne für sich, lenke ich nun ein und habe ich einen Spielpartner oder beharre ich auf meinen Spielwunsch und muss eventuell allein spielen. Oder schaffen wie es gemeinsam eine Lösung zu finden, mit der wir beide glücklich sind. So können Konfliktsituationen im Alltag der Kinder aussehen. Wir begleiten die Kinder dabei, wobei wir in erster Linie möchten, dass sie versuchen allein Lösungen zu finden. Aus erlebten Erfahrungen lernt der Mensch am besten.
Wenn wir in den Garten gehen oder Ausflüge machen, so müssen sich die Kinder selbst anziehen und später wieder ausziehen, sofern sie dies schon können. Wenn sie dies schaffen sind sie sehr stolz auf sich. Wir Erzieherinnen teilen den Stolz mit den Kindern. Nicht unbedingt durch Lob, sondern eher, indem wir ihnen quasi spiegeln, was sie gerade geschafft haben. So steht nicht im Vordergrund, dass ich Lob erhalte, wenn ich etwas geschafft habe. Vielmehr steht im Fokus das eigentliche Schaffen und das motiviert noch mehr zu schaffen. Ich bin nicht auf Lob angewiesen, sondern schaffe es aus eigener Kraft.
Auch während der Angebote entstehen, gleichsam wie im Freispiel, Herausforderungen für die Kinder, die sie unterschiedlich bewältigen.
Jedes Kind wird von uns Erzieherinnen ermutigt sich selbst auszuziehen und die Kleidung bis zum Wickelraum in das eigene Kleidungsfach zu bringen. Das ist ein recht weiter Weg, den die Kinder lernen allein zu schaffen. Wenn ich mich ausziehe kann ich losgehen und meine Kleidung in mein eigenes Fach legen. Ich habe etwas Eigenes und bewirke etwas mit meinem tun. Ich kann allein auf den Wickeltisch gelangen, weil es eine kleine Treppe gibt. Ich bin nicht darauf angewiesen, dass mich jemand hochhebt. Ich darf mir eine Windel aussuchen, wenn ich das möchte und ich darf auch mal sagen, wenn ich von jemandem nicht gewickelt werden möchte. Gerade die neuen Erzieherinnen fragen die Kinder, ob sie sie wickeln dürfen. Das Wickeln ist eine intime Angelegenheit und sollte eine Vertrauensbeziehung zwischen Erzieherin und Kind als Voraussetzung haben. Auch hier gilt wieder, dass ich selbst entscheiden kann und nicht hilflos ausgeliefert bin. Ich kann Einfluss nehmen, auf das was passieren soll.
Auch beim Mittagessen darf ich mir meinen Platz selbst aussuchen und muss mir meine Flasche aus dem Regal holen. Sitzen alle Kinder folgt der gemeinsame Tischspruch.
Die erste Portion wird den Kindern ohne Beilage von uns Erzieherinnen serviert. Dann entscheiden sie selbst, ob sie Beilagen möchten oder nachnehmen wollen und tun dies selbstständig. Wenn ich noch Hunger habe, dann nehme ich mir etwas zu essen. Ich entscheide selbst, ob ich satt bin oder mehr essen möchte.
So verhält es sich auch beim Zähneputzen. Möchte ich allein meine Zähne putzen oder/ und soll eine Erzieherin nachputzen? Das entscheide ich selbst.
Wenn es um das Einschlafen geht, so hat jedes Kind sein individuelles Einschlafritual. Manche Kinder brauchen Körperkontakt und manche wollen ganz für sich sein. Einige brauchen einen Schnuller oder ein Kuscheltier, um zur Ruhe zu kommen. Was brauche ich, damit ich einschlafen kann? Wir Erzieherinnen bieten uns an, drängen uns aber nicht auf. Wir wissen von den Eltern, was die Kinder zum Einschlafen benötigen und sind eng mit ihnen im Austausch. Letzten Endes zeigen uns aber die Kinder, wie sie in der Krippe einschlafen möchten und was sie dafür brauchen.
Nach dem Schlafen folgt das Aufwachen, das Anziehen und das Freispiel. Hier gibt es auch wieder viele Möglichkeiten für die Kinder selbstwirksam zu agieren, die aber oben schon genauer beschrieben wurden.
Unsere Aufgabe als Erzieherinnen im Hinblick auf die Unterstützung der Kinder zum selbstwirksamen Handeln besteht darin einen Rahmen bzw. eine Struktur zu schaffen, die es den Kindern ermöglicht sich auszuprobieren. Das Ausprobieren erfolgt ohne Wertung durch uns. Dennoch gibt es im Alltag Regeln, die von den Kindern eingehalten werden sollen. Ohne diese Regeln würde eine Gruppe nicht funktionieren.
Selbstwirksamkeit besteht aus drei wichtigen Komponenten: dem Handeln, der Wirkung und der Konsequenz, also aus Aktion, Reaktion und Konsequenz. Beim Handeln bzw. der Aktion zeigen wir den Kindern Wege und Möglichkeiten auf. Bei der Wirkung bzw. der Reaktion begleiten wir die Kinder, trösten sie oder bestärken sie. Bei der Konsequenz besprechen wir mit den Kindern neue oder andere Wege und reflektieren Gefühle.
So entsteht ein gelebter Lernprozess für die Kinder, an dem sie wachsen.